Magazin Lübecker Bucht - November 2025

INTERVIEW / BLOG MAGAZIN LÜBECKER BUCHT 76 Seit über 45 Jahren steht der Hamburger Wolfgang Köhler mittlerweile hinter der Kamera. Fotografie ist seine Leidenschaft. Er selbst bezeichnet sich als People-Foto- graf. Wer seine Fotos betrachtet, wird fest- stellen, dass die Bilder oft Geschichten erzählen. Diese Wirkung entsteht durch die besondere Bildsprache und seinen emotionalen Blick auf die Menschen. Viele kennen seine Fotos aus der Outdoor-Aus- stellung „100 Hafengesichter“, die seit zwei Jahren im Niendorfer Hafen zu sehen ist. Parallel dazu gibt es jetzt eine neue Ausstellung mit dem Titel „WIR“ (-sind Timmendorfer Strand), in der sich Wolf- gang Köhler den Menschen vom Timmen- dorfer Strand gewidmet hat. Die Exponate sind derzeit in der Rotunde der Trinkkur- halle zu sehen. In Ihrem neuen Projekt „WIR“ stehen Men- schen im Vordergrund, die den Ort Tim- mendorfer Strand ausmachen. Was fasziniert Sie an diesem Thema? Ich lebe seit einigen Jahren in Hamburg und am Timmendorfer Strand. Mittlerweile habe ich hier amMeer meinen Lebensmit- telpunkt gefunden. Dadurch lernte ich viele interessante Menschen kennen, die ich so zeigen wollte, wie ich sie sehe, in all ihrer Vielfalt und Individualität. Ich liebe es, mit Menschen zu arbeiten. Es war sicher nicht leicht für diese neue Ausstellung zwischen Menschen und Ge- schichten eine Auswahl zu treffen. Hatten Sie Unterstützung oder haben Sie aus dem Bauch heraus entschieden? Ich habe zusammen mit Joachim Nitz von TSNT GmbH lange an einer umfangreichen Liste von Namen gearbeitet. Glauben Sie mir bitte, dass es für uns nicht einfach war, eine Auswahl zu treffen. Joachim und sein Team kennen quasi alle Menschen des Ortes, während ich hier und da etwas Nachhilfe benötigte. Am Ende haben wir eine homogene Auswahl getroffen. Wie sind Sie zur Fotografie gekommen? Fanden Sie das schon als Kind spannend? Ganz klar. Ja! Ich wollte schon mit 15 Fo- tograf und Journalist werden. Ich kaufte mir damals von meinen ersten Ersparnis- sen eine Profi-Kamera (Nikon F2A). Dann stellte ich mich bei einer kleinen Lokalzei- tung, der Bergedorfer Zeitung, vor. Der da- malige Chefredakteur Klaus Korn sagte mir: „Du bist zwar viel zu jung, aber ich gebe dir eine Chance. Dann zeig‘ mal, was kannst.“ Ich konnte ihn offensichtlich über- zeugen. Es folgte eine journalistische Kar- riere beim Hamburger Abendblatt, später dann bei „BILD“. Vom Text-Journalismus verabschiedete ich mich vor etwa 20 Jah- ren. Die Fotografie wurde endgültig zum Mittelpunkt. Solange ich meine Ideen um- setzen und eine Kamera halten kann, werde ich das auch tun. Wenn man viele Ihrer Menschenporträts anschaut, hat man den Eindruck, den Fo- tografierten in die Seele zu schauen. Wie gelingt Ihnen das? Ich versuche generell für den Zeitraum des Shootings eine Beziehung zu der Person, die ich fotografiere, aufzubauen. Alles be- ginnt mit einem längeren Gespräch. Ich möchte wissen, wen ich vor der Kamera habe. Was berührt diesen Menschen, was macht ihn aus …? Dann erst kommt die Kamera ins Spiel. Wenn ich mein Gegen- über nun auch noch überzeugen kann, diese Kamera zu vergessen, habe ich’s ge- schafft. Die Menschen sind in einem Dialog mit mir, selbst dann, wenn kein Wort ge- sprochen wird. Sie sind aus Hamburg an die Lübecker Bucht gezogen. Ist Ihnen die Großstadt zu hektisch geworden oder was hat Sie an die Ostsee gezogen? Ich habe mein Leben lang in diversen Großstädten gelebt und gearbeitet. Ich bin ein „Wassermann“. Einmal am Tag möchte ich bis zum Horizont gucken können, um meine Gedanken zu ordnen. Das gelingt mir hier wunderbar. Ich gehe nur 2 Minu- ten bis zum Strand. Dabei merke ich, dass die Großstadt-Hektik mich mehr und mehr an die Küste der Lübecker Bucht treibt. Zur leichteren Umgewöhnung nutze ich von Zeit zu Zeit die Lübecker Altstadt … Abgesehen von Menschenbildern, welche Motive wecken noch Ihr großes Interesse? Manchmal erwischt mich das „Reportage- Fieber“. Dann telefoniere ich Freunde und Kollegen in den Fotoredaktionen unter- schiedlicher Magazine ab und frage, ob ich etwas tun kann. Gut gemachte Reportagen mit emotionalen Fotografien und knacki- gen Texten faszinieren mich nach wie vor. Gibt es neben der Fotografie weitere Dinge, die Ihre Leidenschaft wecken? Ja, zuallererst meine Frau. Ihre kluge Sicht auf das Leben und die Leichtigkeit, mit der sie komplizierte Dinge im Handumdrehen erledigt, sind beeindruckend. Im Netz ist über Ihre Biografie wenig zu finden. Wie stehen Sie zu Social Media? Sind Sie ein scheuer Mensch? Ich und scheu??! Finden sie den Fehler im Satz. Viel eher würde ich mich als extrem kommunikativ, bisweilen vielleicht sogar als ein klein wenig zu vorlaut bezeichnen. Für ein ausuferndes Social-Media-Leben fehlt mir die Zeit – und oft auch die Lust. Wie gestalten Sie Ihre Tage an der Küste am liebsten? Gibt es bestimmte Rituale? Ich gehe jeden Morgen vorm Frühstück im Meer schwimmen. Voraussetzung: Die Wassertemperatur sollte die 10 Grad- Marke überschreiten. Am 4. Dezember sind Sie im UNICEF-Talk „Unterhaltung am Meer“ in Timmendorfer Strand zu Gast. In Ihrer Eigenschaft als Fo- tograf? Wir freuen uns über die Einladung. Eine Kamera habe ich fast immer dabei – und die werde ich benutzen, wenn es span- nende und aufregende Motive gibt. Viel- leicht baue ich auch eine kleine Studiofläche auf und fotografiere all‘ dieje- nigen, die sich vor meiner Linse sehen las- sen … Wie finden Sie Ihre Themen für neue Pro- jekte? Und können Sie uns schon etwas zu Ihren aktuellen Vorhaben verraten? Meistens sprechen mich die Menschen an, die sich von mir fotografieren lassen wol- len. Von Rockstars über Politiker, Bürger- meister*innen bis hin zu Schauspielern, Bestseller-Autoren und vielen anderen großartigen Leuten aus dem täglichen Leben freue ich mich über alle Anfragen. Oft stecken sogar ganze Kampagnen hin- ter solchen Produktionen. Projektideen entwickele ich meistens zusammen mit Partnern, wie derzeit das Thema „Meer- menschen“. Das plane ich gerade in Zu- sammenarbeit mit der TSNT GmbH und der Deutschen Meeresstiftung für das nächste Frühjahr. Ein noch geheimes Pro- jekt haben die Scharbeutzer Bürgermeis- terin Bettina Schäfer und ich derzeit im Ideen-Köcher. Wenn wir das zusammen realisieren können, dürfte das ein grandio- ser Hingucker werden. Bleiben Sie ge- spannt … Wir danken Ihnen herzlich für den großar- tigen Talk und wünsche Ihnen einen wun- dervollen Winter an der Ostsee! IM TALK MIT WOLFGANG KÖHLER © Foto: Wolfgang Ko ̈ hler Lichtbilder

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